Da sitzt er wieder, der schwarze Vogel. Auf meinem Fensterbrett, mit dem Blick, der mir klarmacht, dass meine Freiheit gerade irgendwo zwischen dem Sofa und den Rechnungen verschwunden ist. Er sitzt da, unbeeindruckt, wie eine alte Tante, die ungefragt zu Besuch kommt und einfach nicht mehr geht. Man würde ja fast glauben, er hat einen Narren daran gefressen, mich immer dann zu besuchen, wenn ich mich gerade mit dem Kontoauszug der letzten drei Monate befasse.
Der schwarze Vogel ist ein wahres Talent darin, das Unangenehme so charmant in Szene zu setzen, dass es beinahe poetisch wirkt. Da flattert er heran, mit seinen tiefschwarzen Federn, seiner melancholischen Aura und dem Blick, der irgendwo zwischen Mitleid und "Du hast es doch so gewollt" schwankt. Er ist wie eine lebende Allegorie des Niedergangs, ein Mahnmal für den Stillstand und für die Momente, in denen man sich fragt, ob der Kontostand wirklich so rot sein sollte, wie der Sonnenuntergang im Spätherbst.
Warum geht er nicht einfach? Warum lässt er mich nicht einfach in Ruhe meine Ruhe finden? Aber nein, der schwarze Vogel bleibt. Er bleibt und zwitschert nicht einmal, er schaut mich nur an. Er fühlt sich offensichtlich in meiner Niederlage wohler als ich selbst. Und da fragt man sich dann, ob es nicht leichter wäre, wenn man ihn einfach ignoriert. Aber das ist ja das Große mit solchen Vögeln: Je mehr man versucht, sie zu ignorieren, desto beharrlicher bleiben sie.
Der schwarze Vogel sitzt nicht nur auf dem Fensterbrett. Er sitzt auch auf meinem Konto. Er hält sein Gefieder stolz in die Höhe, als wäre er der neue CEO meiner finanziellen Misere. Ein richtiger Kapitän auf einem sinkenden Schiff. Aber anstatt überhaupt die Ruder zu packen, lässt er alles schön treiben und schmunzelt still. Das Konto? Tot. Die Freude? Verschwunden. Der schwarze Vogel bleibt. Wie ein schlechter Witz, den man zu oft gehört hat, bis er irgendwie wieder lustig wird.
Und da sitze ich nun, mit diesem Vogel auf meinem Brustkorb, der jede Gelegenheit nutzt, mir das Atmen schwer zu machen. Er sitzt dort, schwer, und während ich versuche, Luft zu holen, erinnert er mich daran, dass Leichtigkeit ein Fremdwort ist. Vielleicht ist es sein Gewicht, das mich irgendwann dazu bringt, aufzustehen, die Fenster weit zu öffnen und ihm die kalte Winterluft ins Gefieder zu pusten. Vielleicht fliegt er dann fort, vielleicht bleibt er auch. Aber eines weiß ich: Irgendwann werde ich ihm entkommen.
Bis dahin, schwarzer Vogel, mach es dir ruhig bequem. Aber glaub ja nicht, dass du für immer bleiben wirst.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen
Vielen Dank für Ihre Nachricht . Das SW-N.TV Team