Erkältung – Der Tod in kleinen Schritten


Es beginnt immer ganz harmlos. Ein kleines Kratzen im Hals, das man noch heldenhaft ignoriert. „Ach was“, sagt man sich, „das bisschen Halskratzen kann mich doch nicht aus der Bahn werfen.“ Doch diese fatale Selbstüberschätzung währt nur kurz. Binnen weniger Stunden mutiert das vermeintlich harmlose Kratzen zu einer Orkanfront, die den Körper erfasst und erbarmungslos in die Knie zwingt. Willkommen im Königreich der Erkältung – einer Welt, in der Taschentücher zur Währung und Hustenbonbons zum Grundnahrungsmittel werden.

Man glaubt ja, man wäre vorbereitet. Schließlich hat man schon so einiges durchgestanden: Prüfungen, Steuererklärungen, die letzte Staffel dieser einen Serie, die niemand wirklich mochte. Aber nichts, wirklich nichts, bereitet einen auf den Moment vor, in dem die Erkältung mit voller Wucht zuschlägt. Plötzlich liegt man da, als wäre man mit einer Dampfwalze überrollt worden. Kraftlos, Schnupfen, Husten, Heiserkeit – das volle Programm. Der Körper ein Wrack, der Geist im freien Fall. Man kann sich kaum vorstellen, jemals wieder gesund zu werden. „War's das?“, fragt man sich, während man in den Weiten der eigenen Bettdecke versinkt. „Ist das das Ende?“

Der Husten, dieser sadistische Mitspieler, kommt dann noch mit einem besonderen Clou daher: Er aktiviert sich bevorzugt bei jeder Form von Bewegung. Ein Hauch von Anstrengung? Schon husten. Aufstehen, um einen Tee zu machen? Husten. Atmen? Noch mehr Husten. Man könnte fast meinen, der Husten hat sich mit den Hausaufgaben des Herzschlags abgestimmt: Alle paar Sekunden ein rhythmisches „Hrrrm-Hrm“, bis die Rippen beben.

Natürlich gibt es immer diese beneidenswerten Menschen, die das alles lässig wegstecken. Die sagen Sätze wie: „Ach, ist doch nur eine Erkältung, was stellst du dich so an?“ Ah ja, sicher, genau. Nur eine Erkältung. Für mich fühlte es sich jedenfalls eher wie der Anfang vom Ende an. Am Höhepunkt der Seuche (ja, Seuche!), wenn Fieber und Schüttelfrost sich abwechseln wie ein schlecht programmierter Wetterbericht, fragt man sich ernsthaft, ob Shakespeare nicht doch ein bisschen Recht hatte mit seinem „Sein oder Nichtsein“.

Und dann, irgendwann, wenn man sich schon damit abgefunden hat, den Rest seines Lebens als rotznasiger Schatten seiner selbst zu fristen, löst sich der Bann. Plötzlich sind die Glieder wieder weniger schwer, die Augen hören auf zu brennen und der Kopf... nun ja, er bleibt wie er ist. Und während man wieder halbwegs funktionstüchtig in die Welt hinaustritt, schwört man sich insgeheim: Nie, NIE wieder werde ich mich von so etwas Lächerlichem wie einer Erkältung übermannen lassen. Fortan werden alle Menschen mit potenziellen Schnupfen gemieden wie die Pest. Impfung gegen Grippe? Ab sofort selbstverständlich!

Aber seien wir ehrlich: Nächstes Jahr, wenn die Erkältungswelle wieder anrollt, stehen wir erneut da, mit kratzendem Hals und viel zu viel Selbstbewusstsein – bis wir schließlich wieder kapitulieren. Erkältung, du alter Feind, wir sehen uns wieder. Aber dieses Mal, dieses Mal, hast du gewonnen.

Sandra Grätsch





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