Es klingt so einfach. Eine Eisdiele, eine Kamera und ich, die Heldin der Stunde. Der Plan? Alle sind eingeladen, Selfies mit mir zu machen und über Gott und die Welt zu plaudern – vor laufender Kamera, versteht sich. Was könnte da schon schiefgehen? Nun ja, wenn man mich fragt: alles!
Die Kamera steht bereit, mein Lächeln ist einstudiert, und die Eisdiele glänzt förmlich im herbstlichen Sonnenlicht. Doch der wahre Gegner dieses Tages ist nicht der stechende Geruch von frischen Waffeln oder die klebrigen Kinderhände, die an der Vitrine kleben. Nein, es ist die quälende Frage: Kommt überhaupt jemand?
Es ist doch immer das Gleiche: Man stellt sich das perfekte Szenario vor. Menschenmengen, jubelnde Fans, die alle nur darauf warten, mit dir ein Bild zu knipsen – vielleicht sogar ein Autogramm auf der Eiswaffel! Doch die Realität? Ich stehe da, das Mikro in der Hand, während der Eismann mir mitleidig über den Tresen hinweg zunickt. Die Zeit verstreicht, die Kamera summt, und die Töne der Stadt hallen in der Stille meiner Erwartungen wider.
Natürlich haben wir die Einladung auf allen Plattformen verbreitet. Social Media war im Dauereinsatz, Freunde – naja, was davon noch übrig ist – wurden persönlich angepingt, und selbst die Stammkunden der Eisdiele wissen Bescheid. Aber Schweinfurt ist nun mal nicht Hollywood. Und ich bin nicht die neue Sensation des Internets. „Im eigenen Haus ist man nichts wert“, klingt es wieder in meinem Kopf.
Da stehe ich also, umgeben von frischem Gelato und drehender Kamera, und in mir tobt ein innerer Monolog: "Bin ich zu alt? Interessiert sich wirklich niemand mehr für mich? Werden sie alle lachen, wenn niemand auftaucht? Wie peinlich ist das denn bitte!" Die Gedanken drehen sich schneller als das Vanilleeis in der Maschine. Währenddessen, das Lächeln im Gesicht starr und leicht verzweifelt, spiele ich das Szenario durch: Kein einziger Mensch kommt. Niemand will mit mir Selfies machen, niemand will mit mir reden. Stille. Was bleibt, ist nur ich – und die Eistüten, die unbeeindruckt auf mich starren.
Da ist sie also, diese bohrende Frage, die mir die Nacht geraubt hat: Bin ich es überhaupt noch wert, gesehen zu werden? Hat man mich abgeschrieben, wie ein altes Buch, das im Regal verstaubt? Die Falten, die grauen Haare – sind sie das Zeugnis meines Untergangs oder meiner Erfahrung? Der Gedanke lässt mich nicht los, lähmt mich regelrecht: Zu alt? Nicht mehr gefragt? Und dann erst diese "Freunde" von früher – das Heer der Ex-Vertrauten, die jetzt im Schatten lächeln und hoffen, dass ich auf die Nase falle. Sie zerren an mir, unsichtbar, mit einem Seil aus Sticheleien und hämischen Kommentaren.
Aber was soll ich sagen? Selbst in dieser Misere lässt sich irgendwie Würde finden. Selbst wenn ich heute das einzige Selfie mit mir selbst machen muss, werde ich das durchziehen. Wer braucht schon ein Publikum, wenn die Kamera läuft? Die echten Erfolge im Leben passieren schließlich nicht vor jubelnden Mengen, sondern in den stillen Momenten, in denen man gegen die innere Panik ankämpft.
Und am Ende des Tages, wenn das Licht schwächer wird und der Kameramann ungeduldig auf seine Uhr schaut, werde ich sagen: "Mir san mir!" Ob jemand kommt oder nicht, das ist nicht das, was zählt. Was zählt, ist, dass ich gekommen bin – zur Eisdiele, zur Kamera, zur Herausforderung. Und wenn das einzige Eis, das heute geschmolzen ist, in meiner Hand war? Nun, dann nehme ich das auch.
Sandra Grätsch
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