Mein Freund, der Elch



Oder ist es eine Elchdame? Wer weiß das schon so genau. Jedenfalls sind sie zu dritt, diese majestätischen Waldbewohner, die ich immer wieder beim kleinen See im Wildpark treffe. Da stehen sie, in all ihrer gelassenen Pracht, und mustern uns – die Menschen, die am Zaun entlang flanieren, als wären wir die eigentliche Attraktion.

Manchmal frage ich mich, was diese Elche wohl über uns denken. "Da kommen sie wieder, diese seltsamen Zweibeiner mit ihren leuchtenden Kästchen", könnten sie murmeln, während sie gemächlich an ein paar Grashalmen knabbern. "Immer nur knips, knips, knips. Haben die nichts Besseres zu tun?" Vielleicht amüsieren sie sich über unsere Begeisterung, wenn einer von ihnen den Kopf hebt und uns mit seinen riesigen braunen Augen fixiert – als wüsste er genau, dass wir das als Fotomoment des Tages verbuchen werden.

Aber mal ehrlich, wie fühlt sich ein Elch in einem Wildpark? Mitten unter uns und doch so fern, gefangen hinter einem Zaun, der sie von der Freiheit trennt, die sie wohl tief in ihren Instinkten spüren. Sie leben in einer Welt, die nur einen Bruchteil der Weiten ihres natürlichen Lebensraums widerspiegelt. Wie wäre es, wenn man mich in Üchtelhausen einsperren würde? Immer nur Üchtelstücht, nichts weiter. Keine Abenteuer, keine neuen Eindrücke, keine Stadtlauringer Skurrilitäten – nur der immer gleiche Zaun, das gleiche Grün, der gleiche Tümpel.

Ich stelle mir vor, wie mein Gehirn langsam vor sich hinwelkt. Die Welt schrumpft zusammen auf die Größe eines Dorfplatzes, wo der Höhepunkt der Woche die Fahrt zum Getränkemarkt ist. Da würden selbst die kleinsten Ausflüge zur Sensation werden. Vielleicht ist es das, was die Elche fühlen. Der Zaun hält sie drinnen, aber ihr Geist wandert weit über die Grenzen hinaus, hin zu den weiten Wäldern, die sie nur noch aus dem kollektiven Gedächtnis ihrer Art kennen.

Vielleicht aber, nur vielleicht, haben sie längst Frieden mit ihrer Lage geschlossen. Vielleicht denken sie: "Es könnte schlimmer sein. Zumindest gibt es hier keine Wölfe, und das Futter wird serviert." Während wir also weiter an ihren Zäunen entlang marschieren, uns über ihre Ruhe und Erhabenheit wundern und unsere Welt mit der ihren vergleichen, bleibt ihnen nur ein müdes Schnaufen. "Diese Menschen", könnten sie sagen, "die verstehen auch gar nichts von einem entspannten Leben."

Aber was weiß ich schon? Ich bin ja kein Elch.



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