Komplexe Luftröhren-OP lässt irakischen Jungen wieder frei atmen


Bei einer von der IPPNW-Kinderhilfe Irak initiierten Hilfsaktion führte Prof. Rudolf Hagen von der Würzburger Universitäts-HNO-Klinik eine schwierige Operation an der Luftröhre und am Kehlkopf eines irakischen Jungen durch. Der erfolgreiche Eingriff erhöht die Lebensqualität des 11-Jährigen deutlich.



Karar ist eines von fünf Kindern einer armen Familie im Süden des Iraks. Im Alter von zwei Jahren erkrankte er an einem sogenannten Guillain-Barré-Syndrom, einer neurologischen Krankheit, die sich bei Karar in einer Lähmung der Atemmuskulatur manifestierte. Um das Ersticken des Kindes zu verhindern, wurde es in der HNO-Klinik der irakischen Stadt Nasiriya über einen Schlauch in der Luftröhre (Tubus) künstlich beatmet. Nur langsam, über Wochen, gingen die Lähmungen zurück. Als der Tubus schließlich entfernt wurde, konnte Karar weiterhin nicht selbständig atmen: Die Luftröhre hatte sich durch den Druck des Beatmungsschlauchs narbig bis auf Bleistiftdicke verengt. Folglich mussten die irakischen Ärzte durch einen Luftröhrenschnitt eine Trachealkanüle einsetzen. Ihre Versuche, in der Folgezeit das Narbengewebe abzutragen, blieben erfolglos. Trotz der von da an dauerhaft genutzten Luftröhrenkanüle hatte der Junge immer wieder Erstickungsanfälle, wenn sich die Kanüle verstopfte. Außerdem konnte er nicht sprechen, weil sich seine Stimmbänder aufgrund des ebenfalls vernarbten Kehlkopfs nicht bewegen konnten. Seine Familie, die mit dem geringen Einkommen des als Kraftfahrer arbeitenden Vater auskommen muss, hatte die Hoffnung schon aufgegeben, dem Kind helfen zu können.



Zufälliger Kontakt mit der IPPNW-Kinderhilfe Irak

Im Jahr 2016 kam ein glücklicher Zufall zu Hilfe: Dr. Jabbar Said-Falyh, ein deutsch-irakischer Kinderarzt aus Frankfurt am Main, besuchte seinen Clan im Süden Iraks. Bei dieser Gelegenheit erfuhr er von einem Kind, „das im Sterben liegt“. Karar wurde zu ihm gebracht. Der Junge japste nach Luft und bemühte sich, einen zähen Schleim durch die enge Kanüle auszuhusten. Dr. Said-Falyh saugte den Schleim ab und kaufte der Familie eine elektrische Saugpumpe. Dann informierte er Prof. Ulrich Gottstein. Der deutsche Internist gründete im Jahr 1991 den gemeinnützigen Verein IPPNW-Kinderhilfe Irak. IPPNW ist die Abkürzung für „International Physicians for the Prevention of Nuclear War“ – die deutsche Sektion der Organisation heißt „IPPNW Deutschland – Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e. V.“ Prof. Gottstein suchte daraufhin einen deutschen Spezialisten, der in der Lage war, Karar medizinisch zu helfen. Fündig wurde er in der Person von Prof. Rudolf Hagen, dem Direktor der HNO-Klinik des Universitätsklinikum Würzburgs (UKW), der sich sofort zu einer kostenlosen Operation bereiterklärte.



In sechs Stunden Narbengewebe entfernt

Nach der Überwindung einiger bürokratischer Hürden brachte Dr. Said-Falyh das Kind im Juli dieses Jahres nach Würzburg. Nach den Voruntersuchungen führte Prof. Hagen am 15. Juli einen komplexen Eingriff durch: In einer sechsstündigen Operation entfernte er die vernarbten Abschnitte der Luftröhre in der Nachbarschaft des Kehlkopfes. „Die verlorene Länge konnte dabei durch ein Strecken und Vernähen der gerade bei Kindern noch recht flexiblen Luftröhre überbrückt werden“, schildert Prof. Hagen. Schon allein dieses Vorgehen ist keineswegs einfach. Richtig schwierig wurde der Eingriff allerdings erst durch den Umstand, dass auch ein Teil des Kehlkopfes Vernarbungen aufwies, die ebenfalls entfernt werden mussten. „Mein Ziel dabei war es, eine Öffnungsweite des Kehlkopfs zu gewinnen, die es Karar erlaubt, mit seinen Stimmbändern Töne zu erzeugen. Wird bei der Teilresektion allerdings zu viel Gewebe entfernt, besteht das Risiko, dass die neben dem Sprechen ebenfalls essentielle Verschlussfunktion des Kehlkopfs beeinträchtigt wird. In der Folge würde sich der Patient bei der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme häufig verschlucken“, erläutert Prof. Hagen.

Nach dem heiklen, aber erfolgreichen Eingriff musste Karar noch einige Tage beatmet auf der Kinderintensivstation des UKW verbringen, bis sicher war, dass die unter einiger Spannung am Kehlkopf wieder angenähte Luftröhre nicht abreißt, was für den jungen Patienten lebensgefährlich gewesen wäre.



Freies Atmen über „reparierte“ Luftröhre und neue Trachealkanüle

Nachdem auch hier alles gutging, erholte sich Karar rasch: Schon zwei Wochen nach der Operation konnte er Prof. Gottstein und Dr. Said-Falyh zu einer Friedensveranstaltung der IPPNW in Frankfurt/M. begleiten. Er atmet jetzt über die „reparierte“ Luftröhre und eine neue Trachealkanüle viel freier.

Mit dem Ablauf seines Visums wird Karar Anfang September 2016 zu seinen Eltern und Geschwistern zurückkehren. Er freut sich schon darauf, ohne Atemnot wieder seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Hüten der Wasserbüffel seines Großvaters, nachgehen zu können.



Weitere Verbesserungen bei entsprechenden Mitteln möglich

„Unter idealen Bedingungen würden wir bei Karar einen zweiten Eingriff durchführen“, schildert Prof. Hagen und fährt fort: „Dabei würden wir den zum Atmen nach wie vor zu engen Kehlkopf noch weiter machen, so dass der Junge nicht nur Sprechen, sondern über den Kehlkopf auch ausreichend Luft bekommen würde. Das Tracheostoma wäre damit überflüssig.“ Neben den bürokratischen Hürden eines längeren Aufenthaltes von Karar in Deutschland sind es vor allem die Kosten, die ein solches Vorgehen derzeit nicht erlauben. Zwar führte Prof. Hagen die Operation kostenlos durch, aber durch die unumgängliche intensivmedizinische Versorgung entstanden schon jetzt Kosten in Höhe von rund 26.000 Euro, welche die IPPNW-Kinderhilfe Irak stark belasten. Wer die Arbeit des von Prof. Gottstein und Dr. Said-Falyh geführten Vereins unterstützen will, kann dies über folgendes Spendenkonto tun:

Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges und in sozialer Verantwortung e.V.

Bank für Sozialwirtschaft

IBAN: DE39 1002 0500 0002 2222 10

BIC: BFSWDE33BER

Stichwort: Kinderhilfe Irak

Steuerabzugsfähige Spendenbescheinigungen werden zugeschickt.




Prof. Rudolf Hagen mit seinem irakischen Patienten Karar bei einer Nachuntersuchung etwa einen Monat nach dem schwierigen operativen Eingriff.

Bild: Helmut Korder/Uniklinikum Würzburg





Schon zwei Wochen nach der erfolgreichen Operation konnte Karar Dr. Jabbar Said-Falyh (links) und Prof. Ulrich Gottstein, beide vom Verein IPPNW-Kinderhilfe Irak, zu einer Friedensveranstaltung in Frankfurt/M. begleiten.

Bild: Claus Metz/IPPNW-Frankfurt

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