Gemeinsame Erklärung der Außenminister Belgiens, Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Luxemburgs und der Niederlande am 25. Juni 2016


Die Außenminister Belgiens, Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Luxemburgs und der
Niederlande nehmen mit Bedauern zur Kenntnis, dass sich das britische Volk gegen die
Mitgliedschaft in der EU ausgesprochen hat. Die Entscheidung des britischen Volkes stellt
einen Einschnitt in der Geschichte Europas dar. Die Europäische Union verliert nicht bloß
einen Mitgliedstaat, sondern auch Geschichte, Tradition und Erfahrung.
Diese Entscheidung führt zu einer neuen Lage. Als Folge der Entscheidung des britischen
Volkes hat die Vereinbarung, auf die sich der Europäische Rat am 18./19. Februar verständigt
hat, keinen Bestand mehr. Wir erwarten jetzt von der Regierung des Vereinigten
Königreichs, dass sie Klarheit schafft und die im Referendum getroffene Entscheidung so
schnell wie möglich umsetzt. Die Verfahrensweise für einen ordnungsgemäßen Austritt ist im
Vertrag von Lissabon festgelegt (Artikel 50 des Vertrags über die Europäische Union). Wir
sind bereit, mit den europäischen Institutionen zusammenzuarbeiten, sobald die
Verhandlungen zur Festlegung und Klärung der künftigen Beziehungen zwischen der EU und
dem Vereinigten Königreich beginnen.
Wir sind unverändert der tiefen Überzeugung, dass die Europäische Union einen historisch
einzigartigen und unverzichtbaren Rahmen darstellt für das Streben nach Freiheit,
Wohlstand und Sicherheit in Europa, für die Gestaltung friedlicher Beziehungen zwischen
seinen Völkern, die von gegenseitigem Nutzen sind, und für die Mitwirkung an Frieden und
Stabilität in der Welt.
Seit ihrer Schaffung durch die sechs Gründungsmitglieder 1957 hat die EU einen langen und
erfolgreichen Weg zurückgelegt. Sie hat West- und Osteuropa wieder vereint und für die
längste Friedensperiode der Neuzeit auf unserem Kontinent gesorgt. Darüber hinaus war sie
treibende Kraft, die Menschen in Europa zusammenzubringen. Damit hat die Europäische
Union und haben wir das Versprechen eingelöst, dem wir uns gemeinsam in den Verträgen
verschrieben haben: einen immer engeren Zusammenschluss der europäischen Völker zu
schaffen. Wir werden nicht nachlassen in unseren Anstrengungen, für eine stärkere und
geschlossenere Europäische Union mit 27 Mitgliedstaaten zu arbeiten, die sich auf
gemeinsame Werte und Rechtsstaatlichkeit gründet.
Deshalb müssen wir gleichzeitig anerkennen, dass es unter den Mitgliedstaaten mit Blick auf
das Projekt der europäischen Integration unterschiedliche Ambitionsniveaus gibt. Ohne dass
wir hinter das Erreichte zurückfallen dürfen, müssen wir Wege finden, mit diesen
unterschiedlichen Ambitionsniveaus besser umzugehen, damit wir sicherstellen, dass Europa
die Erwartungen aller europäischen Bürger besser erfüllt.
Vor diesem Hintergrund bekräftigen wir nachdrücklich erneut unser gemeinsames
Bekenntnis zur Europäischen Union. [Der Fall Großbritannien ist ein Fall sui generis.] Wir sind
uns jedoch auch bewusst, dass Teile unserer Gesellschaften mit der Funktionsweise der
gegenwärtigen EU unzufrieden sind. Wir nehmen dies sehr ernst und sind entschlossen, ein
besseres Funktionieren der EU für all unsere Bürger zu erreichen. Weder kann der einfache
Ruf nach mehr Europa, noch kann eine Phase bloßer Reflexion eine angemessene Antwort
sein. Wir müssen unsere gemeinsamen Bemühungen auf die Herausforderungen
konzentrieren, die nur durch gemeinsame europäische Antworten bewältigt werden können.
Alle anderen Themen müssen wir nationalen oder regionalen Entscheidungsprozessen
überlassen. Wir müssen besser darin werden, Ergebnisse zu liefern bei den Themen, die wir
auf europäischer Ebene angehen wollen. Und wir müssen unsere Verantwortung
anerkennen, die Solidarität innerhalb der Europäischen Union sowie deren Zusammenhalt zu
stärken.
Die Europäische Union sieht sich heute in einer globalisierten Welt enormen
Herausforderungen gegenüber, für deren Bewältigung eine bessere Europäische Union
erforderlich ist: Wir müssen die Aktivitäten der EU stärker auf die zentralen
Herausforderungen der Gegenwart ausrichten: die Gewährleistung der Sicherheit unserer
Bürger angesichts zunehmender äußerer und innerer Bedrohungen, die Schaffung eines
stabilen und gemeinschaftlichen Rahmens zur Bewältigung der Migrations- und
Flüchtlingsströme, die Ankurbelung der europäischen Wirtschaft durch die Förderung der
Konvergenz unserer Volkswirtschaften, die Erzielung eines nachhaltigen Wachstums, das
Arbeitsplätze schafft, sowie Fortschritte in Richtung der Vollendung der Europäischen
Währungsunion. Diese Herausforderungen bestehen vor dem Hintergrund einer
wachsenden Instabilität und geopolitischer Veränderungen an unseren europäischen
Grenzen.
Mit Zuversicht blicken wir in unsere gemeinsame europäische Zukunft.

Quelle: Pressereferat

Auswärtiges Amt

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