Schweinfurt: ``Morgen werde ich gehängt – schafft die Einheit``


„Morgen werde ich gehängt – schafft die Einheit“

Schweinfurt. Mit diesem Zitat von Wilhelm Leuschner eröffnete der stellvertretende DGB-Kreisvorsitzende Jens Öser die Feierstunde zum 70.Jubiläum der Gründung des „Freien Gewerkschaftsbundes Schweinfurt“ als Einheitsgewerkschaft im DGB-Zentrum Schweinfurt.

Es war der 4.November 1945 als sich die Schweinfurter Gewerkschaftsbewegung nach dem Ende der Nazi-Diktatur im „Kufi-Saal“ wiedergründete. Öser durfte knapp 50 geladene Gäste zur Erinnerung an diesen historischen Tag begrüßen. Allen voran Landrat Florian Töpper (SPD) und Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU), die durch Bezirksrätin Angelika Strobel (Die Linke), Kreisrat Klaus Schröder (Die Linke) und den beiden SPD-Stadträten Joachim Schmidl und Norbert Lenhard unterstützt wurden. Auch an gewerkschaftlicher Prominenz mangelte es nicht. So fanden sich die Geschäftsführer Sinan Öztürk (ver.di Schweinfurt), Ibo Ocak (NGG Unterfranken), Hans Beer (IG BAU Franken) und die 2. Bevollmächtigte der Schweinfurter IG Metall, Barbara Resch, ebenso ein, wie die DGB-Kreisvorstandsmitglieder Egbert Thews (IG BCE) und Ottmar Montag (NGG).
Auf den stellvertretenden ADGB Vorsitzenden von 1933, den Widerstandskämpfer und Sozialdemokraten Wilhelm Leuschner bezog sich auch der Vorsitzende des DGB Bayern Matthias Jena in seinem Grußwort. Der Gewerkschafter Leuschner, der zur Widerstandsgruppe des 20. Juli 1944 zählte, wurde am 29. September 1944 in Berlin nach dem gescheiterten Hitler Attentat gehängt. Er sprach aus, was uns zur Aufgabe wurde: „Schafft die Einheit“.
Diese Einheit der Gewerkschaftsbewegung, die vor 1933 nicht existierte, wollten auch die Schweinfurter Richard Mauer (VKF), Heinrich Hümpfner( F&S), Johann Link (F&S), Fritz Bachmann (F&S) und Georg Siffel (Stadtverwaltung) verwirklichten. Sie knüpften die Kontakte und stellten bei der Militärregierung den Antrag auf die Gründung des „Freien Gewerkschaftsbundes Schweinfurt“ als Einheitsgewerkschaft, wie Klaus Hofmann in seinem fundierten und unterhaltsamen Vortrag über die Gründungsgeschichte in den Nachkriegsjahren erläuterte.
Zu den Zielen der neuen Organisation heißt es:

Der Freie Gewerkschaftsbund Schweinfurt wird:

1. Die Arbeiter und Angestellten und Beamten aller Berufsgruppen umfassen;
2. keine Parteipolitik treiben und keine parteipol. Ziele verfolgen;
3. alle Religionsgemeinschaften achten und sich nicht um die religiöse Überzeugung oder kirchliche Zugehörigkeit seiner Mitglieder kümmern; Erklärung – auch die Integration der ehemals christlichen Gewerkschafter der Weimarer Zeit.
4. für gerechte Lohn- und Arbeitsbedingungen eintreten (soweit es die Anordnungen der Militärregierung erlauben);
5. die Aufrechterhaltung, Verbesserung und Vereinfachung des deutschen Sozialversicherungswesens befürworten;
6. den kulturellen Aufstieg der arbeitenden Bevölkerung fördern und unterstützen;
7. für die Wiederherstellung der Völkerverständigung und des Weltfriedens eintreten;
8. für die Wiederherstellung der Rechtsicherheit auf dem Gebiete der Polizei und Justiz einsetzen;
9. den Militarismus und Faschismus in jeder Form bekämpfen;
10. keine ehemaligen Beamten der DAF und frühere Mitglieder der NSDAP oder deren Gliederungen als Funktionär in der Gewerkschaft benennen oder wählen



Höchst interessant an dieser Gründungsgeschichte ist ihr Ablauf. Zunächst, so Hofmann, haben sich in den Betrieben gewerkschaftliche Gruppen zusammengefunden, die dort Betriebsräte installierten. Anschließend war die Sehnsucht groß die eine Gewerkschaft für alle gründen zu wollen. Die Vollendung dieser einen Einheitsgewerkschaft mit angeschlossenen Fachverbänden gestatteten die Alliierten nicht, um die Gewerkschaftsbewegung nicht zu mächtig werden zu lassen. Erst mit dieser Restriktion wurden 1946 die Einzelgewerkschaften IG Metall, IG Druck und Papier, IG Baugewerksbund, ÖTV, IG Textil und Bekleidung, IG Chemie und Leder, IG Nahrungs- und Genussmittel, Gewerkschaft geistig und kulturell Schaffender und die IG Holz in Schweinfurt gegründet. Über den Bayerischen Gewerkschaftsbund 1946 wurde dann 1949 der DGB als starker Dachverband von 16 Einzelgewerkschaften in Westdeutschland geschaffen.
An dieses Erbe erinnerte DGB-Regionsgeschäftsführer Frank Firsching in seiner Rede zu den Herausforderungen des DGB und seiner Gewerkschaften für die Zukunft. Seine Rede wurde zum Plädoyer für ein enges Zusammenrücken der Mitgliedsgewerkschaften im DGB um politisch handlungsfähig zu bleiben.
Quelle: DGB-Region Unterfranken

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