Altsein – der tägliche Marathon in Zeitlupe


Wer hätte gedacht, dass das Altwerden ein Hochleistungssport ist, bei dem selbst der simpelste Gang zum Hundepark zur olympischen Disziplin avanciert? Früher erledigte ich Aufgaben im Vorbeigehen – Multitasking war mein Mantra. Heute jedoch verlangt schon das gleichzeitige Heben einer Einkaufstüte und das Erinnern an den Namen des Nachbarn meine volle Konzentration, als ginge es um das Knacken eines geheimen Codes.

Der Weckruf am Morgen klingt nicht mehr wie der Beginn eines neuen Abenteuers, sondern eher wie das laute Signal einer Alarmanlage, die ankündigt: „Achtung, heute ist wieder einer dieser Tage, an denen man sich um jede Kleinigkeit quälen muss!“ Meine To-Do-Liste wächst täglich – und sie ist so unendlich, dass man meinen könnte, sie hätte einen eigenen Postleitzahlbereich. Doch trotz aller Pläne, Träume und kreativen Ideen, die ich noch in petto habe, scheint die Realität mir stets ein Bein zu stellen.

Gassigehen mit den Hunden? Ein Unterfangen, das früher für frische Luft und gute Laune sorgte, ist mittlerweile ein Kraftakt, der Muskelkater und Schweißausbrüche garantiert – und das, obwohl ich mich im Geiste noch als Marathonläufer sehe. Ich erinnere mich an Zeiten, da war ich ein Alleskönner: Ich jonglierte Termine, Telefonate und spontane Eingebungen wie ein Zirkusartist. Heute allerdings fühle ich mich, als müsste ich jede Bewegung neu erfinden, als ob meine Gelenke protestieren und ein Streik ausrufen würden.

Während ich mich durch Amtsabläufe und endlose Planungen kämpfe, bleibt kaum noch Platz für die eigenen Gedanken und Gefühle. Meine Kreativität, die einst wie ein sprudelnder Quell fließen wollte, wird nun von der täglichen Routine regelrecht aufgesogen – als hätten alle um mich herum ein verborgenes Interesse daran, meine letzten Funken Genialität zu inhalieren. Und als ob das nicht genug wäre, fehlt mir auch noch das nötige „Moos“ – sei es Geld oder Energie – um endlich all die Welt zu erkunden und meinen unausgeschöpften Ideen freien Lauf zu lassen.

Manchmal frage ich mich, ob mein Lebenswerk jemals von jemandem fortgeführt wird, der auch nur annähernd die nötige Portion Verrücktheit und Abenteuerlust besitzt. Aber bis dahin bleibe ich in diesem Dilemma gefangen: zwischen der Sehnsucht nach dem großen, weiten Abenteuer und der bitteren Erkenntnis, dass selbst das Aufstehen aus dem Sessel heute eine Leistung im Schritttempo ist.

So sitze ich hier, umgeben von unerledigten Aufgaben, dem Druck der alltäglichen Amtsstuben und der Verantwortung, die Pflege meiner Mutter zu organisieren, während meine innere Stimme unaufhörlich an meine einstigen Träume erinnert. Wo sind nur all die Gedanken, Gefühle, Ideen und Wünsche geblieben, die mir einst so unendlich erschienen? Vielleicht liegen sie irgendwo zwischen den Zeilen meiner zerzausten To-Do-Liste – irgendwo in den unendlichen Weiten des Alltags, wo man sie bei einer seltenen Ruhepause wieder aufschnappen kann.

Trotz all der Herausforderungen und der schier endlosen Hürde des Altseins, bleibt mir nur eines zu sagen: Wenn das Leben ein Marathon ist, dann laufe ich meinen Teil – in gemütlichem Tempo, mit gelegentlichen Pausen und einem Augenzwinkern, das mir immer wieder sagt: „Lächle, auch wenn die Welt dich manchmal auslacht.“ Denn letztlich ist es dieser humorvolle Blick auf die Absurditäten des Lebens, der den Alltag erträglich und, ja – manchmal sogar wunderbar komisch macht.

Sandra GRätsch

Kommentare

  1. jaja, Jeder will´s werdn unn kenner will´s sei (Alt)......na dann hopp hopp, steh auf Männler, los weiter geht´s :-)))

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