Geschichten aus meinem Leben
Ach ja, die guten alten Zeiten! Als Lego noch die Krone der Spielzeugschöpfung war und Ministrantenarbeit als die einzige Einkommensquelle für Kinder ohne Taschengeld fungierte. Ich erinnere mich an meine Ministrantenkarriere, die mir eine lukrative Nebenbeschäftigung ermöglichte – Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen. Jede Messe brachte ein bisschen Kleingeld für das Sparschwein ein. Und dieses Sparschwein investierte ich in das Wertvollste, was es für mich damals gab: Lego. In allen Formen, Farben und Variationen. Lego war das Bitcoin meiner Kindheit, nur besser, weil es keine Blockchain brauchte.
Besonders in Erinnerung geblieben sind mir die leuchtenden Legosteine. Nicht nur metaphorisch, sondern wortwörtlich leuchtend – diese wunderbaren transparenten Steine, die mit einer winzigen Glühbirne daher kamen! Endlich konnte ich meine Lego-Häuser und -Autos beleuchten, als wäre ich der Architekt von Las Vegas. Doch wie es das Schicksal wollte, gab es einen Haken: diese wundervolle Technik brauchte Batterien. Und Batterien waren damals teuer, und mein Taschengeld war gleich Null. Da stand ich nun, mit meinen high-tech Legosteinen und ohne Energiequelle. Ein Widerspruch, der selbst den modernsten Elektriker verzweifeln ließ.
Aber Not macht bekanntlich erfinderisch – und ich war erfinderisch! Ich erinnerte mich daran, dass ich in der Schule etwas von Transformatoren gehört hatte. Also nahm ich eine alte Stopfgarnrolle, wickelte Draht zehnmal herum, und baute meinen eigenen Trafo. Das ist der Moment, in dem Ingenieure und Physiker die Augen verdrehen und das Gefühl bekommen, gleich weinen zu müssen. Aber hey, ich war in der dritten Klasse und hatte großartige Pläne! Meine Schwester stand interessiert daneben, während ich die beiden Drahtenden – natürlich an der Isolierung festhaltend – in die Steckdose steckte.
„Zzzzapp!!“ Und dann – Blitz, Knall, Rauch! Eine riesige Stichflamme schoss aus der Steckdose, der Draht verbrannte, der Leuchtstein wurde schwarz und schmolz dahin. Ich bekam eine schöne Portion 220 Volt durch meine Fingerspitzen und konnte mit Fug und Recht sagen: Die Naturwissenschaften sind keine exakte Wissenschaft, zumindest nicht für mich. Meine Schwester schrie hysterisch, und die Steckdose sah aus, als hätte sie einen besonders schlechten Tag gehabt. Ein kleiner Teufel auf meiner Schulter flüsterte: "Na gut, das lief nicht optimal." Und ich wusste: Es würde höchstens noch schlimmer werden.
Doch wie überdeckt man verbrannte Fingerspitzen, eine geschmolzene Steckdose und ein brennendes Lego-Stück? Meine Lösung: Benzin! Denn schließlich hatte ich meine Mutter oft genug beobachtet, wie sie mit dem Feuerzeugbenzin meines Vaters Flecken aus der Kleidung entfernte. Wenn es Flecken in der Kleidung entfernen konnte, dann doch bestimmt auch an einer Steckdose! Und so fand ich mich vor dem Ausgussbecken wieder, das ich mit großzügigen Spritzern Benzin benetzte, während meine Schwester mich misstrauisch beobachtete.
Was dann geschah, kann man als den Beginn meines Lebens als wandelnder Katastrophenmagnet bezeichnen. Eine winzige Fehldosierung, eine kleine Prise Schusseligkeit – und ein Spritzer Benzin landete in der Nähe des Ofens. Stichflamme Nummer zwei! Das gesamte Ausgussbecken brannte, meine Schwester flüchtete unter das Sofa, und ich stand in der Küche, pinkelte mir beinahe in die Hose und griff nach dem nächstbesten Handtuch, um das Feuer zu ersticken. Zu meiner großen Überraschung funktionierte es! Das Feuer war aus, das Becken qualmte noch ein wenig, aber wir waren gerettet – jedenfalls vorerst.
Doch der Schaden war angerichtet. Die Steckdose schwarz, das Ausgussbecken rußbedeckt, und das Handtuch versengt. Es stank nach verbranntem Kunststoff und einem Hauch von Panik. Meine Mutter würde in zwei Stunden nach Hause kommen. Die Zeit drängte! Also Fenster auf, schrubben, schrubben, schrubben. Irgendwann sah das Becken halbwegs passabel aus, nur der Kunststoffrand war leider verbrannt. Da erinnerte ich mich an die Farbe, die mein Vater neulich zum Fensterstreichen benutzt hatte. Also schnappte ich mir die weiße Farbe und übermalte die schwarzen Stellen. Das Handtuch vergrub ich kurzerhand im Garten, zusammen mit den geschmolzenen Lego-Teilen. Gründliche Problembehandlung.
Doch das wahre Übel war meine Schwester, die fortan nur noch ein Wort sagen musste: „Benzin“. Mit giftigem Blick und zischender Stimme reichte dieses Wort aus, um meinen Widerstand zu brechen. Egal, wie sehr ich meine Lego-Steine verteidigte, egal, wie sehr ich sie schützen wollte – ein geflüstertes „Benzin“ brachte mich zur Vernunft. Und so verlor ich nach und nach meine geliebte Sammlung. Ironie des Schicksals: Mein Streben nach leuchtendem Lego endete in der Dunkelheit des Familienerpressungsspiels. Schöne Zeiten waren das, irgendwie.
Sandra Bernadett Grätsch
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