Notgefängnis Friesstraße: Schulen erinnern an unfassbare Verbrechen


Die Franz-Oberthür-Schule, das Matthias-Grünewald-Gymnasium und die
Goethe-Mittelschule sind eine Schicksalsgemeinschaft, von der man allzu
lange nichts wusste. Im Bereich dieser heutigen Schulen beziehungsweise
in deren unmittelbarer Nachbarschaft spielte sich in den Jahren 1943 bis
1945 unfassbares Leid und Unrecht ab. Im „Notgefängnis Friesstraße“
wurden von der Gestapo etwa 600 Zwangsarbeiter wie Vieh gehalten.
Hunger, Krankheit, Willkür, Folter und Exekutionen waren in den Baracken
und im Hof dieses Arbeitslagers an der Tagesordnung. Erst nach einer
Veröffentlichung 2004 durch den Leiter der KZ-Gedenkstätte
Flossenbürg, wozu das Notgefängnis als Außenstelle organisatorisch
gezählt wurde, begann die fundierte Aufarbeitung dieses grauenvollen
Kapitels Würzburger Geschichte. 

Oberbürgermeister Christian Schuchardt würdigte den Einsatz der
Schülerinnen und Schüler dieser drei Häuser im Frauenland, die sich
zusammen mit dem Fachbereich Kultur der Stadt Würzburg, Alexander Kraus
von der Geschichtswerkstatt und Bildhauer Markus Schmitt kreativ und
vielschichtig mit dem „Notgefängnis Friesstraße“ auseinandersetzten.
Herausgekommen ist hierbei eine Ausstellung im Untergeschoss des BBZ mit
dem Schwerpunkt auf 13 Modelle denkbarer Denkmäler im öffentlichen Raum.
„Es ist ein sehr bedeutsames Projekt. Auch weil Erinnerungskultur immer
bedroht ist, in ein rein ritualisiertes Handeln abzudriften. Hinter
niedergelegten Kränzen und Politikerreden darf aber die persönliche
Auseinandersetzung mit der Geschichte nicht zu kurz kommt. Es ist
wichtig genauestens zu hinterfragen, wie es in den 30er Jahren des 20
Jahrhunderts zu einer derartigen gesellschaftlichen Entgleisung kommen
konnte: mit den Anfängen in einer brutalen Sprache, die schließlich zur
Ermordung von Menschen führte“, unterstrich Schuchardt die Bedeutung der
Exponate, die anderen Menschen nun wiederum den Zugang zu dieser
düsteren Epoche erleichtern können. Auch gelte es für die Gegenwart
und Bedrohungen der Demokratie heute die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Sybille Linke, Fachbereichsleiterin Kultur, gab einen Einblick in den
Entstehungsprozess der Kunstwerke und bedankte sich stellvertretend bei
Schulleiter Uwe Tutschku für die große Rückendeckung des Projekts.
Schülergruppen hatten so beispielsweise auch die Möglichkeit
Exkursionen in Ateliers oder zu verschiedenen Denkmälern in der Stadt zu
unternehmen. Die intensive Beschäftigung mit dem Thema äußerte sich
schließlich in ganz unterschiedlichen Ausdrucksformen. Das Notgefängnis
ist nun beispielsweise auch in den Audioguide zur Würzburger
Erinnerungskultur integriert. Chansons von Norbert Glanzberg, dem
erfolgreichen jüdischen Komponisten, der vor den Nazis fliehen musste,
wurden neu arrangiert und bildeten auch den musikalischen Rahmen der
Vernissage. 

In der Ausstellung hängt zudem ein Büchlein von der Decke, hinter dem
eine große Idee steckt. Es ist das fiktive Tagebuch von Zofia Malczyk,
einer jungen polnischen Zwangsarbeiterin. Man weiß aus ihrer
Gestapoakte, dass ihr junges Leben nach ihrer Flucht aus dem Lager und
der erneuten Festnahme mit nur 18 Jahren durch einen Kopfschuss endete.
Ein weiterer Schuss galt dem ungeborenen Kind in ihrem Bauch. Sie war im
siebten Monat schwanger. Eine Gruppe aus sechs Schülerinnen und Schülern
überlegte sich, welche Gedanken, Hoffnungen und Ängste die junge Frau
von 1939, als sie gegen ihren Willen nach Deutschland transportiert
wurde, bis zu ihrer Hinrichtung ihrem Tagebuch anvertraut haben könnte.
Aus einer Akte wird so wieder ein Mensch und ein Schicksal. OB
Schuchardt musste bei dieser literarischen Annäherung an das Würzburger
Zwangsarbeiterlager an das Tagebuch der Anne Frank denken. Ihr Schicksal
bewegt bis heute auch Millionen Schülerinnen und Schüler, weil man ihr
durch die persönlichen Aufzeichnungen so nahe kommt. Das fiktive
Tagebuch kann ähnliches leisten, wie man den Besuchern der
Ausstellungseröffnung anmerkte. Nach der Lesung einiger Passagen
herrschte kurz absolute Ruhe, bis ganz behutsam der Applaus einsetzte. 


Bild „Notgefängnis2“
Die jüngsten Gefangenen waren gerade einmal 13 Jahre alt: Schülerin
Tina Rottmann erklärt ihr Modell eines Denkmals, das an das
„Notgefängnis Friesstraße“ erinnern könnte. Drei Schulen
verschrieben sich in einem Gemeinschaftsprojekt der Erinnerungskultur zu
diesem Ort des Schreckens und hatten mit ihren künstlerischen Exponaten
nun Ausstellungseröffnung in der Franz-Oberthür-Schule.
Oberbürgermeister Christian Schuchardt dankte den vielen
Projektbeteiligten. Bild: Georg Wagenbrenner