„Volk auf dem Weg. Geschichte und Gegenwart der Deutschen aus Russland“ Ausstellung möchte Vorurteile abbauen

Foto: Claudia Penning-Lother

Sie fühlen sich sowohl als Deutsche als auch als Russen, liegen doch in beiden Staaten ihre Wurzeln: Deutsche aus Russland. Im Würzburger Rathaus zeigt die „Landsmannschaft der Deutschen aus Russland“ noch bis einschließlich 8. Februar mit ihrer Orts- und Kreisgruppe Würzburg die Wanderausstellung „Volk auf dem Weg – Geschichte und Gegenwart der Deutschen aus Russland“. Oberbürgermeister Christian Schuchardt betonte in seinem Grußwort, dass gerade die Russlanddeutschen den Preis für zwei Weltkriege zahlen mussten mit Enteignungen, Deportationen, Zwangsarbeit und Entrechtung; für Kriege, die nicht sie, sondern das
Wilhelminische Kaiserreich und der NS-Staat zu verantworten hatten. „Auch unter dem kommunistischen Regime wurden sie niemals vollkommen rehabilitiert.“ In Würzburg seien die Deutschen aus Russland perfekt integriert und eine Bereicherung für die Gesellschaft. Das zeige auch die Ausstellung mit beeindruckenden Beispielen. Sie fördere Verstehen und Verständnis und ermögliche es, aufeinander zuzugehen, „vom Nebeneinander zum Miteinander“.
Projektleiter Jakob Fischer ist mit der Wanderausstellung das gesamte Jahr über parallel in ganz Deutschland in Schulen und öffentlichen Räumen unterwegs. Sie ist Teil des Integrationsprojekts der Bundesregierung, gefördert vom Bundesministerium des Innern und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die Tafeln zeigen die Geschichte der Russlanddeutschen wie auch gelungene Beispiele der Integration anhand von Familienschicksalen aber auch bekannter Namen wie Helene Fischer, deren gesamte Familie nach Deutschland zurückwanderte, als die heute berühmte Sängerin gerade vier Jahre alt war.
Die Geschichte der Russlanddeutschen ist geprägt von der Suche nach Heimat. Ewald Oster, der Vorsitzende der Landesgruppe Bayern der Landsmannschaft wünscht sich daher in Anlehnung an den Titel der Ausstellung „Volk auf dem Weg“ ein „Volk in der Heimat“. „Wir sind nicht Entweder-Oder, sondern Sowohl-Als auch“, sagen aber auch die Vertreter der Landsmannschaft der Russland-Deutschen, wie Albina Baumann, die Vorsitzende der Orts- und Kreisgruppe Würzburg. Dies zeigt die Geschichte der Russlanddeutschen. Bereits im Mittelalter siedelten Deutsche im Baltikum, ab dem 16. Jahrhundert im Raum Moskau. Nach dem Manifest von Katharina der Großen 1763 nahm die Zahl der nach Russland einreisenden Deutschen immer weiter zu. Hintergrund war die gewünschte Bevölkerung weiter leerer Landstriche des großen Reiches. Dafür erhielten die Einwanderer aus den deutschen Staaten Grundbesitz geschenkt, 30 Jahre Steuerfreiheit und weitere Privilegien. Ab Beginn des 18. Jh. zogen die Deutschen bis nach Sankt Petersburg. 1870 wurden ihre Privilegien in Russland jedoch abgeschafft. Von 1764 bis 1914 hatten sie bereits über 3.500 Dörfer und Siedlungen gegründet und diese zu „einer kulturellen und wirtschaftlichen Blüte“ geführt, so Jakob Fischer. 1913 lebten über zwei Millionen Deutsche in Russland auf einer Fläche von 13,4 Hektar Grund, das entspricht der Größe der ehemaligen DDR. Die Liquidationsgesetze von 1915 sorgten für die Enteignung der Deutschen. 1941 löste Stalin die autonome Wolga-Republik der Deutschen auf und viele Menschen wurden zur Zwangsarbeit in den östlichen Ural deportiert.

„Neuanfang in fremder Heimat“
Der Moskauer Vertrag von 1970 regelte die Ausreise für Russlanddeutsche und so begann eine erste Ausreisewelle zurück nach Deutschland. 1987 mit dem Deutsch-Sowjetischen Vertrag durfte die BRD Russlanddeutsche in Russland unterstützen, doch immer mehr Menschen wollten zurück nach Deutschland. Bis 1997 erhielten sie „fast automatisch“, wie Fischer sagt, die deutsche Staatsbürgerschaft, erst seither müssen sie einen Sprachtest bestehen. Heute sind 5 Prozent der Bevölkerung in Deutschland Russlanddeutsche, das sind etwa 4,1 Millionen. In Bayern sind es 1,2 Millionen, in Würzburg leben heute über 10.000 Spätaussiedler, überwiegend Russlanddeutsche.
Die Ausstellung ist im Oberen Foyer des Rathauses zu sehen bis 8. Februar 2017 zu den Öffnungszeiten des Rathauses Mo-Do 8-18 Uhr, Fr 8-14 Uhr.

BU: v.li. Bürgermeister Dr. Adolf Bauer, Albina Baumann (Vorsitzende Orts- und Kreisgruppe Würzburg Landsmannschaft der Deutschen aus Russland), Jakob Fischer (Projektleiter Ausstellung), Oberbürgermeister Christian Schuchardt, Ewald Oster (Vorsitzender Landesgruppe Bayern der Landsmannschaft). Foto: Claudia Penning-Lother

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