Zusammenhänge von Technik, Geschichte und Gesellschaft
Professor Dr.-Ing. Cord-Christoph Vogt nahm die Schülerinnen und Schüler mit
in die sechstausendjährige Geschichte von Technik, Gesellschaft, ihre Erfolge
und Irrtümer. (Foto FHWS / Manger)
Der dritte und in diesem Sommersemester letzte Vortrag der
neunten Staffel des SchülerCampus an der Hochschule
Würzburg-Schweinfurt führte die Schülerinnen und Schüler ein ins
Thema „Technik macht Geschichte – Werkstoffprüfung zeigt wie“
mit Professor Dr. Cord-Christoph Vogt von der Fakultät
Maschinenbau.
Herr Vogt, warum gibt es Werkstoffprüfungen?
Wenn wir uns die Scaligerbrücke in Verona aus dem Jahr 1356
und die Ganterbrücke in Brig von 1980 ansehen, können wir
feststellen, dass beide Bauwerke uns sicher und verlässlich
tragen, wobei sich die Techniken als Hilfsmittel über die
Jahrhunderte gewandelt haben – in ihnen vereinen sich
Erfindungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte der jeweiligen
Kulturen. Techniken können Gesellschaften voranbringen – und
umgekehrt. Sie sind in ihrer Konzeption und Durchführung immer
auch an die Frage gekoppelt, welche Auswirkungen technische
Neuerungen mit sich bringen und ob Menschen in der Lage sind,
Technikfolgen zuverlässig abschätzen zu können, Verantwortung
für sie übernehmen.
Sie haben als ein ganz bekanntes Beispiel den Pyramidenbau in
Ägypten aufgezeigt mit zehn Jahren Vorbereitungs- sowie
zwanzig Jahren Bauzeit, einer infrastrukturellen Meisterleistung
aus der Zeit um 2500 Jahre v.Chr. Warum stehen nicht auch in
Schweinfurt Pyramiden?
Um Großprojekte dieser Dimension schaffen zu können, war u.a.
eine hohe Bevölkerungszahl notwendig, eine optimale politische
Organisation, Verkehrswege, eine verbindende Religion wie auch
ein Schriftwesen.
Gab es auch früher schon Möglichkeiten, neue Techniken zu
prüfen, ob sie hielten, was sie versprachen?
Im Altertum (5.000 v. Chr.) bis in die Neuzeit hinein (ca. 1600
n.Chr.) bestand die Werkstoffprüfung vielfach aus der
Kombination von Versuch und Irrtum. Um ein Beispiel zu nennen:
Im 15. Jahrhundert wollten viele Fürsten Steinbüchsen einsetzen
zur Verteidigung wie für Angriffe. Diese Steinbüchsen waren teuer
wie auch gefährlich in der Anwendung: Oft explodierten sie und
verletzten oder töteten Geschützmannschaften, da die
Materialwahl, wie auch die Gusstechnik noch nicht ausgereift war.
Vielfach hinterließen die damaligen Handwerksmeister keine
schriftlichen Notizen, auf denen Erkenntnisse und Sachwissen
festgehalten und weitergegeben werden konnte – starb einer von
ihnen, verschwand mit ihnen oft auch das Knowhow.
Wann und wie entwickelten sich verbindliche Prüfverfahren bzw.
verbindliche Grundlagen?
Im Zuge der industriellen Revolution ab der zweiten Hälfte des 18.
Jahrhunderts änderten sich die wirtschaftlichen und sozialen
Verhältnisse eklatant, ebenso wie die Arbeitsbedingungen und
Lebensumstände. Mit ihr einher ging auch eine zunehmende
Rechtssicherheit. Technische Neuerungen wie auch fehlerhaftes
oder falsch eingesetztes Material führten immer wieder zu
unerwarteten Abstürzen, Explosionen, Unfällen oder Brüchen,
denen vielerlei Ursachen zugrunde liegen - u.a. Konstruktions-,
Ausführungs- oder Wartungsmängel, die Ignoranz oder der Geiz
der Bauleiter oder die Erprobung rein „aus dem Gefühl heraus“ wie
z.B. Klopf- oder Klangproben. Ein klassisches Beispiel ist die Firthof-Tay-Eisenbahnbrücke,
die 1879 bei schwerem Sturm aufgrund
von Konstruktionsfehlern, Ausführungs- und Wartungsmängeln
auseinanderbrach und 75 Menschen das Leben kostete. „Tand,
Tand, ist das Gebilde von Menschenhand!“, so dichtete Theodor
Fontane in seiner Ballade „Die Brück am Tay“.
Lernte man aus den Fehlern?
Ja, es wurden in der Konsequenz dieser und vieler weiterer
Katastrophen wissenschaftliche Materialprüfungen entwickelt, so
gab es beispielsweise die Bauschingerschen-Konferenzen 1884
(benannt nach Johann Bauschinger, Professor für Technische
Mechanik am Münchener Polytechnikum): Vereinbart wurden hier
einheitliche Prüfmethoden für Bau- und Konstruktionsmaterialien.
Das war dringend notwendig, da in den Aspekten Verformbarkeit
und Festigkeit nur ein Bruchteil den Anforderungen genügte.
Darüber hinaus wurden staatliche Materialprüfämter eingerichtet,
„Dampfkessel-Überwachungs- und Revisions-Vereine“ (DÜV,
Vorgänger des heutigen TÜV) gegründet mit nachweisbaren
Erfolgen: War es in Bayern in den Jahren 1870 bis 1877 bei 1.300
Kesseln zu keiner Explosion gekommen, ereigneten sich parallel
in Boston von 1867 bis 1877 bei 2.000 Kesseln ohne Prüfungen
976 Explosionen mit 700 Toten und 5.000.000 Dollar Schaden
(nach damaligem Wert).
Heutzutage werden die notwendigen Qualitätsprüfungen von
zugelassenen Prüflaboratorien durchgeführt. Dort werden Tests
durch qualifiziertes Personal mit entsprechenden Prüfmaschinen
nach verbindlichen Normen durchgeführt, ehe die Produkte auf
den Markt kommen.
Quelle: / Hochschule Würzburg-Schweinfurt
Katja Klein
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