IG Metall will neue Arbeitszeitpolitik ins Zentrum stellen




Schweinfurt – Die IG Metall will eine neue Arbeitszeitpolitik zum Kern ihres gewerk-schaftlichen Handelns machen. „Arbeitszeitpolitik ist immer auch Verteilungs- und Gerechtigkeitspolitik. Entgelt und Arbeitszeit sind aufs engste verwoben. Gesundheit und Arbeitsschutz brauchen Arbeitszeitpolitik. Die Vereinbarkeit von privatem und beruflichem Leben hängt ganz stark von Lage und Dauer der Arbeitszeit ab“, sagte Jürgen Kerner, Hauptkassierer der IG Metall, in seiner Rede zum 1. Mai am Sonntag in Schweinfurt.

Die IG Metall halte Arbeitszeitverkürzung grundsätzlich für richtig. Die 35-Stunden-Woche sei „eine brillante Idee“. „Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass die tatsächlichen Arbeitszeiten steigen“, sagte Kerner. Dies gelte trotz der formalen Beibehaltung des tariflichen Niveaus. Arbeitszeit verfalle – „Stunde um Stunde, Tag für Tag“. Dem müsse ein Ende gesetzt werden. „Gerecht ist, dass geleistete Arbeit vollständig erfasst und vergütet wird“, forderte Kerner. Künftig müsse es darum gehen, die Selbstbestimmung der Beschäftigten über ihre Arbeitszeit wieder zum Thema zu machen. „Wir müssen die Arbeitszeit selbstbestimmt an unsere Lebens-phasen anpassen können“, sagte Kerner. Arbeitszeit müsse reduziert werden können, wenn Kinder zu betreuen seien, Angehörige zu pflegen seien oder Fort-bildung notwendig werde. Es gehe darum, dass der Beschäftigte frei nehmen könne, wenn er es braucht anstatt nur dann, wenn es der Chef erlaubt.

Bei all dem spiele die Tarifbindung eine zentrale Rolle. Heute seien knapp über 50 Prozent der Beschäftigten im Organisationsbereich der IG Metall durch einen Branchentarifvertrag erfasst. Hinzu kämen fünf Prozent über Haustarife und Anerkennungstarife, erklärte Kerner. Anfang der 1990er Jahre seien es noch über 70 Prozent gewesen. „Wir müssen das anpacken, Tarifflucht bekämpfen und die Tarif-bindung stärken“, kündigte Kerner an. Für das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ bleibe die Voraussetzung die Tarifbindung. Sie sei für Gewerkschaften das „Gerechtigkeitsthema Nummer eins“. Ein Beschäftigter in einem Betrieb ohne Tarifbindung, der die gleiche Arbeit verrichte wie sein Kollege im Betrieb mit Tarifbindung, erhalte im Durchschnitt 24,6 Prozent weniger Entgelt. Für Angelernte sei die Situation noch schlechter. Hier betrage der Abstand 32 Prozent. „Immer mehr Arbeitgeber haben sich aus der Verantwortung gezogen. Wir werden nicht länger zuschauen“, sagte Kerner.

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